Aus-gebildet
Unsere Gesellschaft sonnt sich
gern im Selbstverständnis, in vielem gut zu sein. Zu recht. Zunehmend aber
laufen wir Gefahr, im Gefühl falscher Sicherheit unsere Stärken zu
vernachlässigen. Das zeigt sich im Kanton St.Gallen exemplarisch am Beispiel
der Bildungspolitik. Als Teil einer auf Druck des Kantonsrats ausgearbeiteten
Vorlage will die Regierung unter dem schönen Titel «Haushaltsgleichgewicht
2022plus» den Mittelschulen, der Berufsbildung, den Hochschulen und der
Universität Betriebsbeiträge von jährlich über 12 Millionen Franken entziehen.
Der Kanton riskiert damit, Qualität und Ruf als guten Bildungsstandort zu
verlieren und ein verheerendes Signal an Lehrende und Lernende auszusenden.
Noch steht die Kantonsratsdebatte an, und im kommenden Jahr entscheidet das
Stimmvolk über das gesamte Sparpaket in Höhe von jährlich bis zu 100 Millionen
Franken.
Der Leistungsabbau in der Bildung
erscheint nicht nur angesichts der Eigenmittel das Kantons von 1,3 Milliarden
Franken absurd, sondern auch angesichts der Herausforderungen, die sich im
nach-obligatorischen Bildungsbereich stellen. Die Universität St.Gallen (HSG)
wächst und wächst – weshalb das st.gallische Stimmvolk 2019 einem
Erweiterungsbau für 200 Millionen Franken klar zugestimmt hat. Ausbauen und Mittel
kürzen: Das passt nicht zusammen – es sei denn, man setze die Qualität aufs
Spiel.
Im Mittelschulbereich hinkt
St.Gallen seit langem mit einer unterirdischen gymnasialen Maturitätsquote fast
allen anderen Kantonen hinterher. Vor Jahren geäusserte Bekundungen der
Regierung, dies zu ändern, haben sich als Floskeln erwiesen. Die
Chancenungleichheit gegenüber den meisten anderen Kantonen müsste endlich
abgebaut werden. Gleichzeitig lastet (zu) grosser Leistungsdruck auf den
Maturandinnen und Maturanden – die hohe Nachfrage nach Hilfe durch die
Schulpsychologen spricht Bände.
Die Berufsfachschulen wiederum
sind damit beschäftigt, eine fragwürdige, unausgegorene Reform des Bundes
praxistauglich zu machen – mit offenem
Ausgang. Die Reform will, was richtig ist, Handlungskompetenzen fördern. Doch
der Bogen wurde, wie es aussieht, zulasten der Allgemeinbildung überspannt. Es
riecht nach Lektionen- und Inhaltssabbau, nach Schwächung statt Stärkung der
bisher erfolgreichen Berufsbildung. Die Mittelkürzungen durch den Kanton
demotivieren die Lehrkräfte zusätzlich.
Im Kanton St.Gallen liege,
analysierte eine HSG-Studie 2017, Bildungspotenzial brach. Gebessert hat sich
seither nichts. Nun droht gar, dass sich St.Gallen zurückbildet. Das kann auch
bürgerlich-liberalen Kräften nicht gleichgültig sein, denn es ist beileibe kein
linkes Anliegen, St.Gallen als guten Bildungskanton zu erhalten oder
idealerweise zu verbessern. Ein Bildungsabbau wäre kurzsichtig, fahrlässig, mit
einem Wort: dumm.