Jetzt die Zauberformel entzaubern?

Die Bundesversammlung hat vor wenigen Tagen zwei neue Mitglieder in den Bundesrat gewählt. Jedesmal ein Ereignis, das medial sehr hohe Wellen wirft, nicht am Wahltag alleine, sondern bereits im Vorfeld mit Positionierungen, Nominationen, Hearings und Homestorys. Ansonsten die gleiche Geschichte wie bei jeder Ersatzwahl? Nein! Die Bundesversammlung hat eine Wahl getroffen, die verfassungsrechtlich mehr als grenzwertig ist, indem der Art. 175 unserer Bundesverfassung schlicht ignoriert wurde, der eine Ausgewogenheit in Sachen sprachregionaler und geographischer Vertreter (Landesgegenden) bei der Zusammensetzung erwartet. Darüber haben sich die Eidgenössischen Räten mehrheitlich hinweggesetzt. Das Tor zu dieser eigentlich verfassungswidrigen Wahl hat eine Fraktion aufgestossen, die ein Zweierticket nominierte, welches diese Wahl erst ermöglicht hat. Die Schweiz – vor allem die deutsche Schweiz – hat erstaunlich gelassen darauf reagiert. Es gibt ja auch keine Möglichkeit, am Entscheid der Bundesversammlung etwas zu ändern. Die Schweiz kennt keine Verfassungsgerichtsbarkeit – ergo kann die Bundesversammlung auch tun und lassen, was sie will. Verfassung hin oder her.

Allerdings hat die Bundesversammlung mit dieser Wahl Abstand genommen von einer Besonnenheit, welche dieser Verfassungsbestimmung immer folgte. Damit hat sie ein Pendel angeschoben, dass bei nächsten Wahlen durchaus in eine andere Richtung ausschlagen könnte. Ob die Reaktion in der romanischen Schweiz ebenso gelassen bliebe? Dass sich einige Kräfte in beiden Räten dieser Möglichkeiten durchaus bewusst sind, erklärt sich bereits in Aussagen, man könne diese Wahl bei nächsten Wahlen korrigieren. Eigentlich unheilvoll, weil es bestätigt, dass man einen „Faux-Pas“ zugelassen hat.

Die Bundesversammlung hat bereits andere vermeintliche „Tabus“ gebrochen, als sie die Zauberformel in Bezug auf kantonale Doppelvertretungen im Bundesrat abgeschafft hat. Wäre es nicht längst an der Zeit, die parteipolitische Zauberformel der Zusammensetzung des Bundesrats zu entzaubern? Hier wäre die arithmetische Begründung einfach und auch nachvollziehbar. Vielleicht geschieht das bei den nächsten Wahlen bereits. Damit wäre wohl auch die Strategie der nominierenden Fraktion bei der aktuellen Wahl nicht aufgegangen!

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