Erodierte Ostschweizer Medienlandschaft

Die Medienbranche leidet an publizistischer Schwindsucht. Die Folge: Die Qualität vieler medialer Produkte nimmt ab, die Vielfalt leidet ebenso wie die Arbeitssituation des journalistischen Personals. Der Verlegerverband, gesteuert von den Lebrument-Medien in Chur, stemmt sich seit langem gegen einen Gesamtarbeitsvertrag. Bei einzelnen grossen Verlagen kommt Renditedenken vor publizistischer Verantwortung: Investitionen fliessen in teure TV-Unterhaltungs-Einfalt statt in publizistische Kompetenz und Vielfalt. Die längst notwendige Reform staatlicher Medienförderung dreht sich im Hamsterrad – vorderhand ohne erkennbaren Willen, endlich gemeinsam einen Ausweg zu finden. Kein Wunder, wandern viele Journalistinnen und Journalisten ab. Eine erfreuliche Entwicklung zeigt sich lediglich bei investigativen Formaten, sei es unter dem Mantel einzelner Medienkonzerne oder in Form unabhängiger Recherche-Netzwerke. Als positives Beispiel sei auch der Kanton Genf erwähnt, der unabhängige journalistische Recherchen und Reportagen mit jährlich 30’000 Franken unterstützt.


Die Erosion der Medienlandschaft manifestiert sich explizit auch in der Ostschweiz. Noch gibt es einzelne kleinere, unabhängige Verlage, doch die Mehrheit der Formate – Print, Online, Fernsehen, Radio – befindet sich unter dem Dach externer Grossverlage (CH-Media, Tamedia). Ein Interesse an einer starken Ostschweizer Medienlandschaft ist bei diesen nicht spürbar. Die Indifferenz manifestiert sich beispielhaft an der Liquidierung des Ostschweizer Medienpreises im Jahr 2020 – eines Preises, der zwar nur ein Rädchen im medialen Spiel, aber doch Ansporn und Schaufenster für herausragende journalistische Leistungen von Ostschweizer Medienschaffenden war. Eines Preises, der manifestiert hätte, dass die Ostschweizer Medienlandschaft nach wie vor lebt. 


Freicom partners haben im vergangenen Jahr ausgelotet, ob der Ostschweizer Medienpreis wiederbelebt und wiederum gemeinsam mit dem weiterhin bestehenden Radio- und Fernsehpreis der SRG Ostschweiz verliehen werden kann. Das Resultat ist ernüchternd. Der Schreibende hatte die Stiftung Medienpreis im Jahr 2000 initiiert und in den ersten Jahren präsidiert. Damals gelang es, den Preis mit einem Grundkapital von über 160’000 Franken und tragfähigen Beiträgen für die jährlichen Aufwände von 40’000 Franken auszustatten. Heute erweist es sich als nicht mehr möglich, jährliche Beiträge für einen abgespeckten Preis von 30’000 Franken – bei vernünftigem Verhältnis von Preissumme und Verwaltungsaufwand – zu generieren. Das hat vorab zwei Gründe. Einerseits den Verkauf von Ostschweizer Medien an externe Grossverlage, wobei vor allem der Unwille des Aargauer CH-Media-Verlegers Peter Wanner ins Auge sticht, den Ostschweizer Medienpreis mit einer passablen, aber eigentlich marginalen Summe zu alimentieren. Anderseits die Untätigkeit einzelner Ostschweizer Kantone, die zwar gerne schöne Worte verlieren und gutes Geld in Studien zur Medienförderung stecken, aber konkrete Massnahmen nicht auf die Reihe kriegen. Der Eindruck, der sich in Bezug auf viele –  gewiss nicht auf alle – Entscheidungsträger verfestigt hat: Die Untätigkeit beruht schlicht auf Desinteresse. 


Guter, unabhängiger Journalismus ist (allzu) vielen heute egal. Das ist – gerade in Zeiten, da die Demokratien auf dem Prüfstand stehen – ein ernüchterndes Zeichen. 



Jörg Krummenacher
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